Kulturkonferenz 2024 zum Thema «Kultur vor Ort»

Blick auf die Landkarte
Pascal Steinemann, Humangeograph am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie an der Hochschule Luzern, nahm diesen Ball gerne auf und bestimmte auf der Landkarte den Mittelpunkt des Ringkantons: auf der Lütisalp im Toggenburg. «Der Kanton St.Gallen beinhaltet also auch seinen geographischen Mittelpunkt – wenn auch nur ganz knapp.» Steinemann zeigte in seinem Inputreferat auf, wie der Begriff «Peripherie» in der aktuellen (kultur-)geografischen Wissenschaft verwendet wird.

Für Kultur in allen Regionen
Anschliessend gab Mireille Loher, Co-Leiterin der kantonalen Kulturförderung, einen Überblick über die Massnahmen, die der Kanton schon getroffen hat, um Kultur in allen Regionen zu ermöglichen und die Rahmenbedingungen von Kulturschaffenden zu verbessern. Zum Beispiel müssen Kulturinstitutionen, um an Fördergelder zu kommen, neu auch Rechenschaft darüber ablegen, welche Löhne und Gagen sie engagierten Kunstschaffenden zahlen. Oder es gibt die Möglichkeit, abgemachte Leistungen bei Vereinbarungen zu lockern, zugunsten von der Bezahlung von fairen Gagen, wenn keine Erhöhung des Jahresbeitrags möglich ist.

Reinvestition in die Kultur
Interessante Einblicke aus der Praxis waren in der anschliessenden Podiumsdiskussion zu hören, moderiert von SRF-Kulturredaktorin Irene Grüter. Diese erklärte zu Beginn, weshalb die Kulturredaktorinnen und Kulturredaktoren von SRF nicht allzu oft aus den Zentren hinaus in die Peripherie fahren – weil ein Radiobeitrag meist innerhalb eines Tages fertig werden müsse und eine Reise von Basel nach Heerbrugg da nur selten drin liege. 
Eben dort, in Heerbrugg, führt Pascal Zäch das Kinotheater Madlen, das 363 Tage im Jahr geöffnet ist und wo rund 1000 Veranstaltungen pro Jahr stattfinden. Und dies – eher ungewöhnlich für eine Kulturinstitution – in Form einer Aktiengesellschaft mit 18 Mitarbeitenden. Statt Dividenden auszuschütten, reinvestiert das Kinotheater alle Gewinne in die Kultur und behauptet sich bis heute.

Persönliches Engagement und Komplizinnen
Die weiteste Anreise an die Kulturkonferenz hatte Paola Gianoli. Die Veranstalterin war aus Poschiavo angereist und dort, jenseits des Berninapasses, organisiert sie regelmässig Tanz- und andere Kulturveranstaltungen. «Solche Anlässe sind wichtig», antwortete Gianoli auf die Frage, warum sie dies mache. Sie betonte aber auch, dass vieles von ihrem persönlichen Engagement abhänge. «Ohne Leute wie mich geht es nicht.» 
Und auch: «Ohne Komplizinnen vor Ort geht es nicht.» So drückte es Andrea Keller im Podiumsgespräch aus. Die Zürcherin hat in Mels das Kulturprojekt «Oh Darling, du zerfällst mir sehr» auf die Beine gestellt, in enger Zusammenarbeit mit der Melser Bevölkerung und eben auch Komplizinnen vor Ort wie Eva Maron, Leiterin des Kulturhauses Verrucano in Mels. Letztere sass denn auch im Publikum.

Zwischen Dörfern und Weltstädten
Livia Rita, freischaffende Künstlerin aus Nesslau, reiste aus Berlin an die Kulturkonferenz (und danach weiter in ihre Künstlerinnen-Residenz in den Bündner Bergen). Sie, die sich zwischen Dörfern und Weltstädten bewegt, betonte vor allem die Vorteile, welche die Peripherie den Kulturschaffenden biete.
Beim abschliessenden Zmittag im Garten der Ostschweizer Fachhochschule am Zürichsee diskutierten die Besucherinnen und Besucher der Kulturkonferenz noch lange weiter. Was ist Zentrum? Was ist Peripherie? Gerade im Ringkanton St.Gallen ist diese Frage nicht leicht zu beantworten. Der Begriff der Peripherie ist eben immer eine Frage der Perspektive.